Massenbetrug mit EU-Fördergeldern in Griechenland

Geld aus EU-Bildungsprogrammen ist in Griechenland leichte Beute für Kriminelle. Ein Verurteilter erzählt die unglaubliche Geschichte eines Betrugssystems – die viel über die Probleme des Landes sagt.

"Vor etwa acht Monaten wurde ich von einem griechischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt", sagt Jannis Chatzisavvas. Er ist mittlerweile in Spanien, Athen hat die Auslieferung beantragt. "Es geht überraschend schnell", sagt Chatzisavvas, der mit einem langen Auslieferungsverfahren gerechnet hatte. "Am 9. Juli holt mich die spanische Polizei in Madrid ab, wo ich meinen Sohn besuche."

Er soll dann aussagen – vor allem wohl, ob er die Auslieferung in seine Heimat akzeptiert oder nicht. Chatzisavvas jedoch will etwas anderes sagen: das, was er für die Wahrheit hält. Er hält sich für das Opfer einer Intrige. Weil er aus einem massiven organisierten Betrug an EU-Fördermitteln in Griechenland ausgestiegen sei. Ein Betrug, der seiner Meinung nach System hatte und von Ministerien in Athen organisiert wurde. Zu diesem Thema fand er einen Artikel der "Welt" besonders informativ – und wandte sich daher an die Redaktion. In Telefongesprächen und E-Mails seit dem 16. Juni hat Chatzisavvas seine Geschichte der "Welt" aus seiner Sicht geschildert. Der Kontakt zu ihm ist seit dem 7. Juli abgebrochen.


Die Affäre reicht zurück in die 90er-Jahre. Jannis Chatzisavvas – der in Deutschland Jura studiert hatte – lehrte damals an der Universität Thrakien in der Stadt Komotini. Sein Rektor rief ihn zu einer Besprechung: Ein Institut für Fortbildung namens ISEK habe vom griechischen Arbeitsministerium 400 Millionen Drachmen (umgerechnet ca. 1,2 Millionen Euro) für die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen bewilligt bekommen. Die Mittel stammten aus EU-Fördergeldern zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das ISEK wollte nun, dass die Universität für die geplanten Programme Lehrkräfte zur Verfügung stellt.

Der langen Geschichte kurzer Sinn: Chatzisavvas, dessen Unterschrift als Geschäftsführer des Uni-Senats nötig war, hatte – nach eigener Darstellung – den Verdacht, dass es hier um das ging, was im Volksmund "Maimou"-Programm (Affenprogramm) genannt wird: "Weil sie (solche Programme, d. Red.) gar nicht durchgeführt wurden, sondern nur auf dem Papier stattfanden." Er gibt an, seine Zustimmung zunächst verweigert zu haben und dafür unter gewaltigen Druck des Rektors geraten zu sein. Zum Schluss habe ihm ein Mann auf der Straße ein Messer an die Kehle gesetzt und gedroht, man werde nicht zulassen, dass ein "Professörchen" sich querstelle. Danach habe ihm ein "Strohmann" zwei Schecks in Höhe von umgerechnet 17.500 Euro überreicht. Chatzisavvas hat diese Schecks nach eigenen Angaben bis heute, löste sie demnach also niemals ein. Er stellte sie der "Welt" als elektronische Kopie für die Dokumentation zur Verfügung.

Das Opfer eines abgekarteten Spiels?

Außerdem besorgte der Rektor eine Bankbürgschaft für das geplante Programm, und so gab Chatzisavvas letztlich seine Zustimmung. Denn er habe gedacht: Selbst wenn es Probleme gebe – wenn etwa bei einer Prüfung der Bücher Unregelmäßigkeiten festgestellt würden und die EU daher ihre Förderung zurückverlange – könne sich der Fiskus das Geld dank der Bankbürgschaft jederzeit zurückholen. Allerdings sei ihm die Bürgschaft dann später "mit Druck und Drohungen entrissen und gefälscht" worden.

Am Ende verschwand das meiste Geld dann tatsächlich in dunkle Kanäle. Die Staatsanwaltschaft warf Chatzisavvas Bestechlichkeit vor – und auch dem Rektor. Der sei aber freigesprochen worden, während er zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Chatzisavvas ist überzeugt, dass es ein abgekartetes Spiel war und er als Störenfried erledigt werden sollte, während andere protegiert wurden.

Warum ich das alles nicht angezeigt habe: Als Anwalt wusste ich um die Entscheidungsfindung griechischer Richter

Unabhängig davon, wo die Wahrheit in diesem Fall liegt, hat der Mann mit einer Behauptung möglicherweise recht: dass in Griechenland seit Langem Missbrauch getrieben wurde mit EU-Fördergeldern zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nach seiner Darstellung funktionierte das System in diesem Fall so: Beamte des beauftragenden Arbeitsministeriums hätten Quittungen bezüglich der Aufwendungen für die Bildungsprogramme eigenhändig gefälscht, bevor sie sie auf ihre "Richtigkeit" überprüften und die entsprechenden Summen auszahlten.

"Pilotenkoffer voller Geld an Regionalpolitiker"

Er behauptet, das ganze Betrugssystem sei vom Arbeitsministerium ausgegangen und habe letztlich auch der Parteifinanzierung (gemeint dürfte eine der beiden Volksparteien Nea Dimokratia und Pasok sein, d. Red.) gedient: Der Strohmann, der ihm die Schmiergeldschecks überreichte, habe ihm bei Gelegenheit auch erzählt, dass er "vom Parteischatzmeister unter Druck gesetzt wurde, weil er sich mit einer versprochenen Zahlung Zeit gelassen habe, was aber nicht seine Schuld sei, weil das Ministerium mit der Auszahlung im Verzug war".

Seiner Meinung nach wurden "60 Prozent der Programme (zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, d. Red.) praktisch aus der Parteizentrale über das Arbeitsministerium an Parteifreunde und sonstige Netzwerke verteilt". Tragende Pfeiler des Systems seien in seinem Fall "ein Viereck aus Ministerium, Universität, Fortbildungsinstitut und Regionalverwaltung" gewesen. Überall dort hätten "die Leiter die Entscheidungen getroffen, unterschreiben und ausführen mussten es aber die Angestellten".

Was Chatzisavvas über seine Gespräche mit dem Überbringer der Schmiergeldschecks berichtet – "Pilotenkoffer voller Geld an Regionalpolitiker" – klingt streckenweise nach freundlichem Plausch. Und ob seine Unschuldsbehauptungen zutreffen, das weiß nur er selbst. Er hat den Betrug, von dem er wusste, nie angezeigt. Seine Rechtfertigung: "Warum ich das alles nicht angezeigt habe: Als Anwalt wusste ich um die Entscheidungsfindung griechischer Richter."


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