Ausgerechnet Griechenland

Geht man davon aus, dass – in Anbetracht der bevorstehenden Europawahlen und der gewachsenen politischen Rolle des Europaparlaments – gerade einmal noch drei Monate für eine effektive gesetzgeberische EU-Politik verbleiben, so ist die Bedeutung der zum Jahresbeginn angelaufenen Ratspräsidentschaft Griechenlands stark zu relativieren und tendiert diese de facto gegen null.

Die bisherigen, vor allem kritischen Kommentare über Sinn und Unsinn des griechischen Vorsitzes haben diesen Sachverhalt weitgehend außer Acht gelassen.

Zu verlockend war für viele Kommentatoren der scheinbar symptomatische Umstand, dass gerade in anhaltenden Krisenzeiten die Europäische Union ihre Führung ihrem größten Sorgenkind anvertraut. Für viszerale Europagegner und vermessene Kritikaster ein gefundenes Fressen.

So gilt es auch das zu relativieren, was an veröffentlichter Meinung dem EU-Bürger über das angetragen wurde, was von dieser griechischen EU-Präsidentschaft zu erwarten ist.

Das gilt einerseits für jene, die, wie der hellenische Außenminister Evangelos Venizelos, die Umstände des Ratsvorsitzes seines Landes in den optimistischsten Tönen schildern und eine allumfassende griechische Erfolgsgeschichte in Aussicht stellen, wie, andererseits, für jene, die der EU mit einem Krisenstaat wie Griechenland an der Spitze zumindest den zeitweiligen Stillstand, wenn nicht gar einen Rückschritt prophezeien.

Sicher ist, dass mit diesem Griechenland als temporäre EU-Führungsnation Europa weder untergehen noch einen nachhaltigen Schaden erleiden wird. Erstens wären für jedes Land die Umstände einer elektoral bedingt zeitlich und politisch reduzierten Präsidentschaft mehr als ungünstig, und zweitens haben seit 2009 Rolle und Impakt des traditionellen Ländervorsitzes erheblich abgenommen.

Die europäische Integration ist ein Projekt, das sich wie ein dünnes Rinnsal erst einmal, Steine und andere Hindernisse umkurvend, seinen Weg sucht, ehe es an Tiefe und Umfang gewinnen kann, um kraftvoll auf gerader Linie voranzukommen. Der Faktor Zeit spielt dabei eine elementare Rolle.

In der historischen Perspektive ist Europa immer noch in einem Anfangsstadium. Das sollten auch jene Brüsseler Antreiber und Mahner aus dem Bâtiment Berlaymont bedenken, die in bester Absicht, doch mit der dem guten Zweck längst nicht immer dienlichen Ungeduld das europäische Reformtempo verschärfen wollen und denen Strukturreformen und Harmonisierungen nicht schnell genug gehen können.

Sinn und Verständnis für die politischen und sozialen Realitäten in den Ländern, die ebendieses Europa ausmachen sollen, gehen ihnen dabei ebenso ab, wie die Einsicht, dass die europäische Integration ein Generationen übergreifendes Vorhaben ist und nur mit der Zeit reifen kann. Insofern ist der griechische EU-Vorsitz das richtige Signal zur richtigen Zeit.

Weil es vermittelt, dass Europa allenfalls die Summe seiner Bestandteile ist, in dem auch schwache, hilfsbedürftige Partner ihren Platz haben, und immer noch weit weg von jenem Idealbild ist, das seine Euphoriker von ihm zeichnen.

Griechenland seinen Anspruch auf den EU-Vorsitz absprechen, weil es ein nach wie vor Besorgnis erregender Krisenstaat ist, hieße die Realitäten zu verkennen und ein Europa zu propagieren, in dem nur der Starke das Sagen hat und in der ersten Reihe auftreten darf.

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