Italiens Linksextremisten lassen sich in Griechenland ausbilden

In Italien geht die Angst vor der Rückkehr des Terrorismus um. Aufhorchen lässt ein Interview mit einem Linksaktivisten. Dieser erläutert die Strategien im Strassenkampf, der in Griechenland gelehrt wird.

Der am EU-Gipfel vorgestellte Massnahmenkatalog zur Krisenbewältigung der italienischen Regierung sorgt in Italien für wütende Reaktionen. Vor allem der Passus, der eine Lockerung des Kündigungsschutzes vorsieht, ist Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Denn sie fürchten Massenentlassungen im ganzen Land. Einer, der sich für eine Lockerung des Kündigungsschutzes einsetzt und gleichzeitig heftige Kritik dafür einstecken muss, ist der italienische Arbeits- und Sozialminister Maurizio Sacconi (PdL). Dieser zeigt sich sehr besorgt über die aggressive Stimmung, die aktuell in Italien herrscht, und befürchtet gar eine Rückkehr des Terrorismus, wie ihn Italien unter den Roten Brigaden in den 70er- und 80er-Jahren erlebte. Sacconi hofft, dass im Zuge der Reformwiderstände keine weiteren politischen Morde verübt werden.

Rote Brigaden wieder aktiv
Obwohl Sacconi vorgeworfen wird, mit seinen Aussagen Öl ins Feuer zu giessen und die ohnehin schon aufgepeitschte Stimmung unnötig zu provozieren, sind seine Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen: So wurde ein enger Mitarbeiter Sacconis, der Arbeitsrechtler und Regierungsberater Marco Biagi, im März 2002 vor seinem Haus im Zentrum von Bologna erschossen – wenige Tage später bekannte sich die linksextremistische Terrororganisation Rote Brigaden zum Anschlag. Biagi hatte an einem Gesetzesentwurf zur Lockerung des Kündigungsschutzes gearbeitet – für dessen Verabschiedung sich Maurizio Sacconi später vehement einsetzte.

Nun soll dieses Gesetz in Kraft treten. Von der italienischen Nachrichtenagentur Ansa auf die befürchteten Terroranschläge angesprochen, meinte Sacconi: «Um mich habe ich keine Angst, denn ich erhalte Personenschutz, aber ich habe Angst um die Menschen, die dieses Privileg nicht haben und gerade aus diesem Grund Ziel von politischer Gewalt werden könnten.» Wie Marco Biagi, der über keine Leibwächter verfügte, oder Massimo D'Antona, der ebenfalls beim Arbeitsministerium beschäftigt und drei Jahre vor Biagi – ebenfalls von den Roten Brigaden – ermordet worden war.

Italienische Linksextremisten im griechischen Trainingslager


Grund zur Beunruhigung geben der italienischen Regierung vor allem die heftigen Ausschreitungen in Rom vor knapp zwei Wochen. Dabei war in erster Linie nicht das vorhandene Gewaltpotenzial erschreckend, sondern das strukturierte Vorgehen des italienischen «Schwarzen Blocks». Laut eigenen Aussagen hätten sich Mitglieder der italienischen Linksextremisten ein Jahr lang auf die Demonstration vorbereitet, dabei seien sie einmal im Monat mit der Fähre nach Griechenland gefahren und hätten sich dort bei radikalen Linksaktivisten weitergebildet. «Die griechischen Kollegen haben uns gelehrt, dass die urbane Guerilla eine Kunst ist und man nur mit einer straffen Organisation gewinnen kann», sagt F., ein Mitglied des Schwarzen Blocks, in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung «La Repubblica». So seien sie an den Ausschreitungen des 15. Oktobers äusserst strukturiert vorgegangen. Schon am Vorabend hätten sie an verschiedenen Orten der Stadt Lieferwagen voller Schlagstöcke, Pflastersteine, Petarden und Molotowcocktails parkiert, damit am nächsten Tag die «Waffenbeschaffung gesichert war».

Laut dem anonymen Aktivisten F. besteht «jede Gruppe aus zwölf, fünfzehn Personen und ist in drei Untergruppen aufgeteilt». Eine bewaffnet sich fortlaufend mit allem Brauchbaren, was sie auf der Strasse findet, oder direkt aus den versteckten «Waffendepots», die zweite bringt die von der ersten Gruppe aufgetriebenen Waffen zum Einsatz, und die dritte Gruppe sorgt mit kontinuierlichen Rauchbomben für Deckung und Verwirrung. In Griechenland seien sie die Abläufe immer wieder durchgegangen, und auch Notfallmanöver und Rückzug seien geübt worden. Die Ausschreitungen von Rom seien zwar ihre «erfolgreichsten», jedoch nicht die ersten gewesen: Sie hätten die neu erlernte Struktur bereits im Sommer bei den Demonstrationen gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke TAV im Susatal in Piemont geübt.

Der Krieg ist noch nicht vorbei

F. war dabei, als im Juli die Proteste im Susatal ihren Höhepunkt erreichten und 900 Carabinieri zum Einsatz kamen. Unter den 50'000 Demonstranten seien rund 1000 italienische Linksextremisten gewesen, unterstützt von 300 aus dem Ausland stammenden – hauptsächlich Spanier und Deutsche. Die italienischen Sicherheitskräfte entdeckten im Wald Dutzende Waffendepots und stellten fest, dass die Demonstranten mit den neuesten Gasmasken ausgerüstet waren und alles andere als chaotisch vorgingen. Rund 188 Carabinieri wurden während der Ausschreitungen Anfang Juli verletzt, fünf Aktivisten verhaftet. Nach den heftigen Protesten in Rom wurden zwölf Aktivisten festgenommen, neun davon sind immer noch in Haft. Da die «Befreiung der Kollegen» bereits angekündigt worden ist, werden weitere Ausschreitungen befürchtet. Der anonyme Aktivist F. ist weiterhin mit den «Kollegen des Susatals», den Mitgliedern der No-TAV-Bewegung, in Kontakt und kündigt im Interview auf jeden Fall weitere Massnahmen an: «Der Krieg ist noch nicht vorbei.» Wie viel hinter dieser Drohung steckt, ist nicht abzuschätzen. Fest steht jedoch, dass das No-TAV-Komitee gestern seine TAV-Infotour in Rom gestartet und die Wichtigkeit des Strassenkampfes noch einmal unterstrichen hat.

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