Griechenland: Zwei Berichte über die aktuelle Situation - Ein Zustand wie vor 100 Jahren

Der Generalstreik in Griechenland wird begleitet von heftigen Protesten und Auseinandersetzungen. Zwei Personen, die einen starken Bezug zu Griechenland haben, sprechen über Angst, Unsicherheit und Frustration der griechischen Bevölkerung.

Verena Lamm kehrte vor einer Woche von Pythagorion, Samos heim. Ihr langjähriger Partner, den sie regelmässig besucht, ist Grieche und auf der Insel wohnhaft.

«Seit 23 Jahren besuche ich die Insel Samos. Sie ist meine zweite Heimat. Als ich dieses Mal dort war, spürte ich die Angst der Einheimischen. Die Streikwelle Griechenlands hat auch die Insel erreicht: Die einzige Poststelle im Dorf, der Polizeiposten und das Zollbüro werden demnächst schliessen.
Der einzige Flughafen auf der Insel Samos befindet sich in Pythagorion. Der Flugverkehr wird enorm eingeschränkt sein. Auch die Bank hat ihre endgültige Schlies­sung nächsten Monat angekündigt. Die Mitarbeiter, zu denen auch mein Partner gehört, müssen dann in die Hauptstadt fahren, um arbeiten zu können. Der Bus in die Hauptstadt fährt jedoch nur zwei Mal am Tag. Wenn die Bus- und Taxiunternehmen ebenfalls streiken, ist die Fahrt nur noch per Autostopp möglich.

Ausserdem werden die Leute im Dorf keine Bank mehr haben: Die Ladenbesitzer werden kein Geld für ihre Geschäfte beziehen können, Rentner müssen in die Hauptstadt, um ihre Pensionsgelder zu erhalten. Diese Situation macht den Leuten das Leben schwer – Pythagorion wird in einen Zustand wie vor 100 Jahren versetzt. Die Touristen bleiben aus, Korruption herrscht überall. Man hat Angst um seine Existenz, denn alle brauchen Geld, um zu überleben.»

Spiridon ­Petridis ist griechischer Staats­bürger und wohnt in der Schweiz.

«Ich bin griechischer Staatsbürger, in der Schweiz geboren und in der Ostschweiz aufgewachsen. Seit 1998 lebe und arbeite ich in Zürich – ich habe Wirtschaft und Publizistik studiert. Mich verbindet emotional vieles mit Griechenland, es ist meine zweite Heimat, dort sind meine Wurzeln. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe in der Schweiz meinen griechischen Hauptschulabschluss gemacht und besuche in den Ferien regelmässig Griechenland.

«Man merkte, dass die Bevölkerung nicht weiss, wie es weitergehen soll.»

Auf der kleinen Insel war Ende der Ferienzeit bei den Einheimischen merklich die Luft draussen. Es gab wenig Touristen, die Griechen waren lethargisch und man merkte, dass die Bevölkerung nicht weiss, wie es weitergehen soll. Es gab Streiks – Behörden blieben geschlossen (Post, Polizei, Gemeindeverwaltung, Fähren etc.) und auch der, für alle wichtige, Flugverkehr wurde eingeschränkt.

Ein kleines Beispiel: Ein Angestellter der Gemeinde Thira (Hauptstadt der Insel Santorini) klärte mich über seine finanzielle Situation auf: Als Staatsangestellter verdiente er 1200 Euro, Anfang Jahr musste er 300 Euro Lohnkürzung hinnehmen, diesen Herbst nochmals 300 Euro Lohneinbussen akzeptieren oder seine Stellung künden – eine Halbierung des Lohns für die gleiche Arbeit und zusätzliche Steuererhöhung! Zum Vergleich: ein Kaffe kostet 3 Euro, ein Liter Benzin 1.80 Euro.

«Es ist eine problematische Situation.»

Ich habe Verständnis für die Streikenden und die Proteste in Athen. Die Situation für den kleinen Mann ist nicht mehr tolerierbar – die Einschnitte und Kürzungen sind zu viel des Guten! Es ist eine problematische Situation: Einerseits muss dringend eine langfristige Lösung für Griechenland gefunden werden, andererseits sind die Lösungsversuche Europas kontraproduktiv für die Bevölkerung. Die Regierung (Opposition und Regierungspartei), welche eine Hauptverantwortung für die Misere trägt, soll die verursachten Probleme lösen und ist somit unglaubwürdig.

Europa trägt auch eine grosse Mitschuld an der Situation in Griechenland. Meiner Meinung nach funktioniert das Finanzsystem und die politische Organisation in Europa nicht optimal. Es hätte schon viel eher eingeschritten werden müssen.

Meine Freunde in Griechenland wissen nicht, wie es weitergehen soll. Sie sind frustriert und sie finden es befremdlich, dass die griechische Bevölkerung als faul, gierig und undankbar dargestellt wird. Meine Familie geht auch auf die Strasse und demonstriert gegen die Situation – sie möchten ihren Unmut gegen die Regieren zeigen.» 

Griechenland aktuell

In Athen demonstrieren heute wieder Tausende gegen die Sparmassnahmen der Regierung. Griechenland kommt nicht zur Ruhe: Zudem wurde auch heute der Generalstreik fortgesetzt. In gross angelegten Demonstrationen protestieren die Griechen gegen weitere Sparpakete der griechischen Regierung. Nach den gestrigen gewaltsamen Protesten in Athen befürchten die Sicherheitskräfte heute weitere Gewaltausbrüche. Schulen und zahlreiche Geschäfte sind geschlossen. Der Verkehr im Stadtzentrum ist zum Stillstand gekommen.

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