"Lasst Athen pleitegehen"

Die Slowakei sperrt sich gegen die Rettung - und macht sich unbeliebt

Europa blickt auf die Slowakei: das einzige Euro-Land, das Griechenland bisher keine Kredite gibt - und in der Euro-Krise eine Schlüsselrolle spielen kann. Der von Europas Staats- und Regierungschefs beschlossenen Aufstockung des Krisenfonds EFSF müssen in vielen Euro-Ländern die Parlamente zustimmen. So auch in der Slowakei. Richard Sulik ist Parlamentspräsident, Chef der mitregierenden Partei "Freiheit und Solidarität" - und will die Vollmachten mit aller Kraft verhindern.

Die Welt: Herr Sulik, die Slowakei hat Griechenland bisher Kredite verweigert. Jetzt soll es weitere 109 Milliarden Euro für Athen geben, neue Garantien von 340 Milliarden Euro für den EFSF und neue Vollmachten. Stimmt die Slowakei zu?

Richard Sulik: Ich werde alles tun, um die entsprechenden Gesetzentwürfe im Parlament zu Fall zu bringen. In Europa sollen jetzt die, die gut wirtschaften, für die zahlen, die Schulden machen. Das war nie der Sinn des Euro-Projekts. Deshalb haben wir schon 2010 Kredite für Griechenland abgelehnt.

Die Welt: Die Regierungen anderer Euro-Länder sagen aber, Griechenland bekomme Zeit, sich zu sanieren.

Richard Sulik: Das ist absurd. Die Milliarden machen die Lage nur schlimmer. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die griechische Wirtschaft erholt und die Griechen ihre jetzt schon 350 Milliarden Euro Schulden je zurückzahlen. Es ist keine Hilfe, schon gar keine Rettung, wenn man einem völlig überschuldeten Land immer neues Geld leiht. Griechenland produziert ja weiter Defizite und wird das noch lange tun. Athen hatte allein von Januar bis Juli 2011 wieder ein Haushaltsloch von 15 Milliarden Euro. Auch die 109 Milliarden Euro des zweiten Griechenland-Pakets sind irgendwann verbraten. Wir retten nicht die Griechen, sondern die Gewinne der deutschen und französischen Banken, die ihre Forderungen an Griechenland nicht abschreiben müssen, wie es sich gehört.

Die Welt: Sie würden also auch nicht wie die Finnen fordern: Ja, wir geben Kredite - aber nur gegen Barpfand?

Richard Sulik: Die Finnen haben hinter dem Rücken aller Partnerländer mit den Griechen einen Sonderdeal verabredet. Das war absolut inkorrekt. Richtig und ehrlich wäre zu sagen: Wir unterstützen Kredite für Griechenland nicht, und fertig.

Die Welt: Fürchten Sie keine Pleite Griechenlands?

Richard Sulik: Die ist so oder so unvermeidlich. Die Frage ist, wann die führenden europäischen Politiker endlich den Mut finden, in den saueren Apfel des griechischen Bankrotts und eines harten Schuldenschnitts zu beißen. Eine Pleite ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Gesundung. Wären die Griechen vor eineinhalb Jahren pleitegegangen, hätten sie das Schlimmste schon hinter sich. Jetzt sind sie klinisch tot, aber werden im Koma gehalten.

Die Welt: Das Dominoargument, dass nach Griechenland Spanien, Portugal oder Italien fallen, überzeugt Sie nicht?

Richard Sulik: Überhaupt nicht. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen - Griechenland ist ein kleiner Teil der Euro-Wirtschaft. In den USA gingen in den 30er-Jahren Tausende Städte pleite, in den 70er-Jahren stand sogar New York kurz davor, ohne dass der Dollar deshalb unter Druck geriet. Italien etwa ist nicht von Griechenland bedroht, sondern von seinem Schuldenstand von 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Ähnlich ist es bei Frankreich. Die Franzosen haben drei Jahrzehnte keinen einzigen ausgeglichenen Haushalt gehabt. Irgendwann geht so etwas schief. Und keiner von ihnen muss pleitegehen. Italien könnte endlich anfangen zu sparen. Ich sehe keinen Grund, warum ein italienischer Abgeordneter monatlich 15 000 Euro netto verdienen sollte. Oder warum nur der Fahrdienst italienischer Politiker eine Milliarde Euro pro Jahr verschlingt. Italien kann auch Staatseigentum verkaufen. Rom sitzt etwa auf 2452 Tonnen Gold, die rund 100 Milliarden Euro wert sind.

Die Welt: Trotz Ihrer Opposition macht die Slowakei nun bei der zweiten Runde der Griechenland-Kredite mit und steuert 800 Millionen Euro bei.

Richard Sulik: Leider. Unsere Regierung besteht aus vier Parteien. Drei von ihnen, die noch 2010 gegen jeden Griechenland-Kredit waren, haben ihre Meinung geändert. Das muss auch nicht mehr vom Parlament gebilligt werden. Dort geht es jetzt darum, noch Schlimmeres zu verhindern.

Die Welt: Nämlich?

Richard Sulik: Die Kapitalaufstockung um nochmals 340 Milliarden Euro und mehr Vollmachten für den europäischen Krisenfonds EFSF und unseren Beitritt zum folgenden Dauer-Krisenfonds ESM. Wenn unser Parlament es ablehnt, wird es nichts mit dem EFSF-Ausbau. Ohne die 22 Stimmen meiner Partei hat die Regierung keine eigene Mehrheit. Und wir stimmen auf jeden Fall mit Nein.

Die Welt: Die deutsche und französische Regierung und die EU halten einen stärkeren Krisenfonds für unverzichtbar, um den Euro zu retten und Portugal und Irland, Spanien, Italien und selbst Frankreich zu schützen.

Richard Sulik: Was uns als Rettung des Euro verkauft wird, ist seine Schwächung und bedeutet neue Schulden. Das Vorgehen der Euro-Länder ist, als ob sie ein Feuer mit einem Ventilator löschen wollten. Wir sehen eine Krisenkonferenz nach der anderen. Immer wird am Sonntag in der Nacht entschieden, immer geht es um Milliarden. Und was ist gerettet worden, was ist besser? Nichts. Wäre Griechenland letztes Jahr pleitegegangen, hätten die Italiener und andere längst angefangen, wirklich hart zu sparen. Stattdessen bekommen sie die Bestätigung für unverantwortliches Verhalten und die Botschaft: Macht weiter so.

Die Welt: Wodurch?

Richard Sulik: Die Kapitalaufstockung und Vollmachtserweiterung des EFSF führen dazu, dass Länder sich nicht mehr um Investoren bemühen müssen, um Geld zu bekommen, sondern einfach zum EFSF gehen und die Hand aufhalten können. Zweitens bekommen sie 3,5 Prozent Zinsen garantiert. Davon kann etwa Italien im Moment nur träumen. Das ist der direkte Weg in die Transferunion. Noch mehr Schauder laufen mir über den Rücken, wenn ich von einer europäischen Wirtschaftsregierung höre.

Die Welt: Warum?

Richard Sulik: Wir Slowaken hatten 40 Jahre lang die Sowjetunion mit ihrer sozialistischen Planwirtschaft am Hals. Setzen sich die Befürworter einer europäischen Wirtschaftsregierung durch, können wir als Land nicht einmal mehr über die Steuergesetze selbstständig entscheiden. Das wollen wir nicht. Davon war keine Rede, als wir der Euro-Zone beitraten. Ich erinnere mich sehr gut, welche Regeln galten: Schuldengrenzen, das Bail-out-Verbot nach Artikel 125 des Lissabon-Vertrags, ein Verbot für die Europäische Zentralbank, Staatsanleihen aufzukaufen. Das alles gilt nicht mehr - und ich frage, warum. Solide Gesellschaften halten ihre Regeln ein.

Die Welt: Ihre Haltung macht Sie unbeliebt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Währungskommissar Olli Rehn haben Sie schon 2010 gemahnt, Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Richard Sulik: Für mich ist das Wort Solidarität hier ein Vorwand. Gäbe es in Griechenland ein Erdbeben oder einen Tsunami, riefe ich als Erster zu Hilfe auf. Das wäre ein Fall von notwendiger Solidarität. Aber hier geht es darum, dass wir ein Land alimentieren, das unverantwortlich gewirtschaftet hat. Griechenland hat 30 Jahre lang Schulden über Schulden gemacht. Jetzt ist die Party zu Ende.

Die Welt: Der Slowakei stehen allein von 2007 bis 2013 knapp 14 Milliarden Euro EU-Fördergelder zu. Das ist mehr als die 13,4 Milliarden Euro, die Sie maximal in EFSF und ESM einzahlen würden. Müssten Sie bei einer Ablehnung der Krisenfonds nicht auch auf das EU-Geld verzichten?

Richard Sulik: Wir rufen nur einen Bruchteil der Fördermittel ab. Zudem sind sie ein großes Problem - sie unterstützen die Korruption, etwa bei den Beamten, die diese großen Summen vergeben. Sie verzerren die Wirtschaft. Wenn zwei konkurrierende Hotels da sind, und das eine bekommt zwei Millionen Euro und das andere nichts, stellt das alles auf den Kopf. Davon abgesehen: Wo steht geschrieben, dass wir, nur weil wir bei Griechenland nicht mitmachen, kein Recht auf Fördergelder haben?

Die Welt: Noch nirgendwo. Aber Sie kommen unter Druck. Das österreichische Finanzministerium etwa sagt uns offen, das Verhalten der Slowakei sei auf europäischer Ebene nicht vergessen, und wenn es weiteres solches Ausscheren gebe, müsse man überlegen, solche Länder bei anderen Dingen auszuschließen.

Richard Sulik: Das wäre eine ungeheuerliche Erpressung. Aber von mir aus, sollen sie unsere Nichtbeteiligung gegen Fördergelder anrechnen. Ich bin nicht gewählt, damit ich von Brüssel oder anderen Regierungen gelobt werde, sondern damit ich die Interessen der Slowaken verteidige. Ich unterschreibe keinen Scheck über fünf oder zehn Milliarden Euro mit, die die Slowakei verlassen würden, damit Griechenland weiter das Vierfache der slowakischen Rente zahlen kann oder die Iren den Steuersatz von 12,5 Prozent behalten können.

Die Welt: Die Polen oder Tschechen sind jetzt sehr froh, dass sie nicht im Euro sind, sondern noch ihre eigene Währung haben. Bedauern Sie, dass Sie 2009 beigetreten sind?

Richard Sulik: Ja. Ich war ein großer Fan des Euro-Beitritts. Aber wenn ich sehe, was jetzt passiert, muss ich sagen, die Slowakei wäre besser dran, wenn sie ihre Krone behalten hätte. Deutschland, Frankreich oder die EU-Kommission malen jetzt immer den Schwarzen Peter an die Wand: Wer sich weigert, die Milliarden zu leihen, wird schuld sein, wenn erst Spanien, Italien, dann ganz Europa zusammenbricht. Würde das stimmen, würden sich auch England, Schweden oder Tschechien darum reißen, bei der Griechenland-Rettung oder bei den Krisenfonds mitzumachen, weil sie ja genauso betroffen wären. Das tun sie aber nicht. Offensichtlich ist das ein Pseudoargument.

Die Welt: Sie haben gefordert, die Slowakei müsse einen Plan B für den Fall haben, dass es weiter in Richtung Transferunion geht. Sind Sie in diesem Fall dafür, die slowakische Krone wiedereinzuführen und aus der EU auszutreten?

Richard Sulik: Der Euro als gemeinsame Währung ist eine tolle Idee. Ich war selbst Unternehmer und habe erlebt, wie vorteilhaft es war, etwa im Geschäft mit Deutschland kein Kursrisiko mehr zu haben. Ich bin aber auch dafür, dass die Grundregeln eingehalten werden. Es kann ja noch so kommen, und der Plan etwa für den ESM wird begraben. Ich bin jetzt nicht dafür, dass die Slowakei austritt. Aber wenn die Entwicklung so weitergeht, bleibt von der tollen Idee des Euro nichts übrig. Damit müssen wir rechnen.

Die Welt: Haben Sie Ihre slowakischen Kronen schon aus der Schublade geholt?

Richard Sulik: Ich habe tatsächlich noch fünf Millionen Kronen. Aber sie liegen zerschreddert in einer Plastikbox. Ich habe sie nach der Euro-Einführung von der slowakischen Nationalbank als Andenken bekommen.

Gern gelesen

THE GREEK HERACLES WAS A BLACK MAN AND THE AFRICAN INFLUENCE ON GREEK AESTHETICS

Griechenland: 2,5 MRD Euro Stromschulden – Versorger schaltet bald erste 50.000 Kunden ab!

Griechenland: Sozialkassen schaffen parallele Staatsverschuldung

Beliebte Posts aus diesem Blog

Nikos Dimou: Greece has already lost in the name issue

THE GREEK HERACLES WAS A BLACK MAN AND THE AFRICAN INFLUENCE ON GREEK AESTHETICS

Austerity Porn: Greek Terrorists Rape Ministers' Wives in Controversial Revenge Movie