Weiter subventionieren oder umschulden?

Niemand kennt die Zahlen - Wider die Anmaßung des Wissens

Griechenland ist überschuldet und die Politik steht nun vor der Wahl zweier Alternativen. Keine von beiden ist schön. Da sind auf der einen Seite die Vertreter der fortgesetzten Hilfen durch EFSF und EZB, ab dem Jahr 2013 abgelöst durch den ESM. Sie wollen eine fortgesetzte Finanzierung Griechenlands durch die anderen Euro-Länder, natürlich unter der Voraussetzung, dass Griechenland spart, mehr Steuern erhebt und sich die stabileren Länder zum Vorbild nimmt. Da sind auf der anderen Seite diejenigen, die eine Umschuldung Griechenlands wollen, bestenfalls durch eine Beteiligung der privaten Gläubiger, in jedem Fall aber einen allgemeinen Schuldenschnitt.

Wie soll man sich zwischen den Alternativen entscheiden – Bailout oder Haircut? Selbstverständlich hätte ein Haircut dramatische Konsequenzen. Die privaten Gläubiger fielen mit einem Teil ihrer Forderungen aus. Da es sich häufig um Banken handelt, der Economist vermutet vor Allem die deutschen Landesbanken, könnte dies deren Eigenkapitalbasis gefährden und das Bankensystem insgesamt ins Wanken bringen. Auf der anderen Seite droht mit dem ESM die Erhebung des Bailouts zur Institution und damit die europäische Transferunion. Deutschland und andere Staaten wären auf Jahre hinaus die Finanziers von Resteuropa.

Nun gibt es Rufe, man möge doch die Vor- und Nachteile der einen wie der anderen Lösung quantifizieren und gegeneinander abwägen. Es müsste berechnet werden, ob der Schaden durch den Wegfall des Exportvolumens beim Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft höher ist als die Kosten, die durch den Rettungsschirm entstünden. Dazu müsse berücksichtigt werden, in welcher Höhe die Landesbanken Forderungen gegen den griechischen Staat halten, wie sich der Außenwert des Euros ohne die Griechen entwickele, welche Schäden daraus für Deutschland und die Exportwirtschaft entstünden.

Die Fragen nach einer derartigen Quantifizierung erinnern bedenklich an eine frühere Begebenheit, nämlich an die Einführung des Euros. Da wurden munter die Vorteile der Einführung der Gemeinschaftswährung vorgerechnet. So und so viele Milliarden spare man, wenn der Umtausch von der einen in die andere Währung entfiele. Man müsse ja keine Währungssicherungsgeschäfte mehr abschließen. Und nicht zu vergessen: Auch der deutsche Urlauber müsse nicht mehr den unsäglich aufwendigen Umtausch seiner D-Mark in italienische Lira oder griechische Drachme vornehmen. Damals wollte man die Warnungen der Skeptiker nicht beachten. Denn sie hatten den einen Schönheitsfehler, dass man die möglichen Kosten eines Scheiterns des Euros nicht beziffern konnte. Zu abseitig schien die Chance, dass der Plan der zentral verordneten und verwalteten Währung nicht aufgeht, zu unwägbar die Kosten bei einem Scheitern.

Anders ist es heute: Die Kosten des Scheiterns liegen auf dem Tisch. Die politische - nicht marktgetriebene - Vereinheitlichung des Währungsraums von oben herab wird mit einem Preis bezahlt, dessen wahre Höhe sich nun herausstellt. Wo auf der einen Seite Vorteile bei den Transaktionskosten im europäischen Zahlungsverkehr vor allem für Unternehmen stehen, da rücken nun die vormals unberücksichtigt gebliebenen Kosten für den Steuerzahler in den Mittelpunkt.

Beiden Entscheidungen - jener damals beim Euro und der heute in Bezug auf einen dauerhaften Rettungsmechanismus – ist gemein, dass sie mit Kosten und Nutzen verbunden sind und für die Zukunft getroffen werden müssen. Die Zukunft hat es an sich, dass sie ungewiss ist. Wäre es anders, so wären Börsen, an denen die Zukunftsaussichten von Unternehmen und Anleihen gehandelt werden, überflüssig. Niemand kann sich anmaßen, Kosten und Nutzen von Entscheidungen im Voraus richtig einander gegenüber zu stellen, wenn diese Entscheidungen nicht ihn selbst betreffen. Der einzige Personenkreis, dem dies zuzutrauen ist, ist der der Unternehmer. Diese haften mit ihrem Vermögen für die Richtigkeit ihrer Entscheidungen. Nur beim Unternehmer liegen Kosten und Nutzen der Entscheidung in einer Person. Trifft er sie richtig, so mehrt er sein Vermögen, liegt er falsch, so erleidet er Verluste.

Für die Entscheidungen rund um den Euro gilt, dass die Politik kein Urteil darüber treffen kann, welche Entscheidung die kostengünstigste ist. Sie trifft Entscheidungen für Dritte. Sie kann sich nicht anmaßen, das sichere Wissen über die Zukunft zu besitzen, dass der Nutzen des einen den Schaden des anderen überwiegt. Denn fest steht, dass jede politische Entscheidung mindestens ein Opfer hat. Noch so viele Berater können Frau Merkel nicht sicher sagen, in welcher Höhe Kosten hier und in welcher Höhe Einnahmen da anfallen. Sie können nicht mehr als gegenüber Frau Merkel und der Öffentlichkeit vorgeben, über dieses Wissen zu verfügen. 

Kosten und Nutzen der Entscheidung über den ESM sind ungewiss, sie treten bei verschiedenen Personen und Personenkreisen auf. Sie lassen sich nicht monetär quantifizieren. Die Antwort auf die Frage Bailout oder Haircut muss daher in einer Rückbesinnung auf Grundsätze liegen, die solcher Ungewissheit Rechnung tragen. Es war das ureigene Anliegen der Ordnungspolitiker aus der Frühphase der Bundesrepublik, Prinzipien Geltung zu verschaffen, die immer gültig und in ihrem Bestand unabhängig vom Einzelfall sind. Es muss daher um die Wiederherstellung eines Rahmens gehen, in dem derjenige, der die Entscheidungen trifft, ihre Konsequenzen tragen muss. Solange die Folgekosten von Entscheidungen auf Dritte abgewälzt werden, solange werden wir keine guten Entscheidungen bekommen. Solange die griechische Regierung für ihr Tun nicht Konsequenzen spürt, wird sie schlecht entscheiden. Solange die deutschen Landesbanken griechische Staatsanleihen ungestraft zu 100 Prozent des Nominalwerts bilanzieren können, solange werden sie von Griechenland bedroht sein. Solange es ein Geschäftsmodell ist, die Anleihen der Pleiteländer aufzukaufen, solange wird sich das Staatssäckel durch immer neue Bailouts belastet sehen.

Das Eintreten für einen Schuldenschnitt in Griechenland ist vor Allem ein Zeichen für eine Rückkehr zu ordnungspolitischen Grundsätzen, für Demut gegenüber der Ungewissheit der Zukunft und dem Respekt vor dem Verantwortungsprinzip. Ohne eine Rückkehr zu diesen ordnungspolitischen Leitsätzen in Deutschland wie in Europa, werden unauflösbare Kosten-Nutzen-Vergleiche mit alternativlosen Entscheidungen an der Tagesordnung bleiben.

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