„Die Cafés sind noch voll in Athen“

Gesellschaft Die Auslandsgriechen urteilen hart über ihre Landsleute und leiden doch still mit, weil ihre Heimat verramscht wird

Ein raumhohes Landschaftsbild schmückt eine Wand des griechischen Restaurants Meteora am Kleinmachnower August-Bebel-Platz. Ein Felspanorama, der Grand Canyon lässt grüßen. Auf einer Klippe eine Art Kloster – kein Weg scheint hinauf zu führen. Hügel ohne Bewuchs bis zum Horizont und im Vordergrund schleppt ein Esel einen Mann den Staubweg hinauf, eine andere Gestalt ist zu Fuß unterwegs. Ein Sinnbild der Entbehrung und Zähigkeit – ein Blick in die Vergangenheit oder in die Zukunft von Hellas?

Aus der abgebildeten Region, 45 Kilometer vom Olymp entfernt, stammt die Familie des Gastwirts Dimitri Pappas. Ein Freund des Hauses hat das Großformat geschaffen, drei Tage hat er gemalt. Vor einigen Monaten war Pappas wieder in der alten Heimat, wo er noch ein Haus besitzt. Das Grundstück war mit Unkraut zugewuchert, der Hausherr versuchte, die Leute vom Dorf für einen schnellen Hilfsdienst anzuheuern. 100 Euro bot er fürs Jäten. „Ein Mann aus dem Dorf sagte zu mir: ,Hol’ Dir lieber einen Pakistaner, der ist billiger’!“, erzählt Wirt Pappas. Auch die Dienste von albanischen Gastarbeitern legte man ihm nah. „Diese Leute machen die Drecksarbeit.“ Nur selbst zu Heckenschere und Harke greifen wollte im Dorf niemand, sagt Pappas und fügt bitter hinzu: „Sie haben es verdient, dass sie jetzt eins auf den Deckel kriegen.“
Die Auslandsgriechen – in Mittelmark betreiben sie in fast jeder Gemeinde ein Restaurant – urteilen so hart über ihre Landsleute, wie es Deutsche kaum wagen. Und doch leiden sie still, wenn sie in den Nachrichten hören, dass ihr Land vor den Augen der Weltöffentlichkeit den Ramsch-Status verliehen bekommt und Gäste beim Trinkgeldzahlen sagen: „Hier, das ist für Griechenland!“ Wer bei einem der besten Cappuccinos der Region mit der Wirtsfamilie Pappas ins Gespräch kommt, kann erahnen, was der Heimat bevorsteht.

Ein Bekannter, sagt Dimitri, hat Knall auf Fall all seine griechischen Guthaben von der Bank genommen und in Berlin eine Wohnung gekauft. Das Geld flieht aus dem Land, denn bei einem Ausscheiden aus der Euro-Zone würden Guthaben entwertet. Das Land hat nicht nur keinen Kredit mehr im Ausland, nun nimmt auch das heimische Kapital reißaus. Dimitri Pappas, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt, gestattet sich keine Nachsicht: „Wir haben das Geld nach Griechenland geschafft, jetzt ziehen wir es wieder raus – die müssen aufpassen in Griechenland!“

Mutter Christina Pappa hat sich an den Tisch gesetzt. Dass sich die beiden großen Parteien Pasok (Sozialisten) und Nea Dimokratia (Liberal-Konservative – „ND“) jemals vertragen werden, hält Christina Pappa für ziemlich ausgeschlossen. „Mein Vater war bei Pasok, mein Schwager kommt aus einer ND-Familie. Es gab keine Familienfeier ohne Streit. Mama hat immer geheult in der Küche.“ Griechische Familien, sagt sie, trügen im übertragenen Sinn „den Stempel einer der beiden Parteien“. „Wir haben jetzt die Katastrophe, aber die Parteien verhalten sich immer noch wie Hund und Katze!“

Was faul ist in Griechenland, hat Christina Pappa erlebt, als ihr Vater mit Lungenkrebs in einer Athener Klinik lag. Damit der Vater nicht in einem Vierbettzimmer liegen musste und die Behandlung besser wurde, riet man ihr, dem Arzt umgerechnet 1500 bis 2000 Euro zuzustecken. Die Tochter zahlte das „Fakelaki“ („kleiner Umschlag“) und resümiert heute: „Den Mann hätte ich würgen können. Man konnte ahnen, dass Griechenland einmal in eine solche Situation kommen würde wie jetzt.“

Nun bricht der Sturm los in der Heimat. Die Cousine von Dimitri Pappas, eine Polizistin und Mutter von zwei Kindern, hat eine Gehaltskürzung von 1200 auf 800 Euro netto hinnehmen müssen. Dem Onkel strich die Regierung die Rente von 800 auf 600 Euro zusammen. „Es tut mir leid für die Leute“, sagt der Gastronom. Aber über ihre Verhältnisse lebten die Griechen immer noch: „Die Cafés und Restaurants sind nach wie vor voll!“ Griechenland wird aus der Euro-Zone fliegen, prophezeit Dimitri. Die Griechen hätten aber das Zeug dazu, sich wieder zu berappeln. „Ich kenne in Deutschland keinen Griechen, der von Hartz IV lebt“, sagt der Wirt und ergänzt: „Wir gehen auch jeden Tag ackern.“ Es ist eine bittere Abrechnung, doch zum Abschied gibt Christina Pappa dem Gast fast flehentlich mit: „Das griechische Volk ist sehr großzügig. Man muss doch eine Lösung für dieses schöne Land finden!“

Nico Hamzi, dem Wirt des Restaurants „Korfu“ an der Kleinmachnower Schleuse, findet gleichfalls harte Worte für sein Vaterland. „Eine Taxifahrt von hier nach Tegel kostet 25 Euro, in Griechenland würde sie 40 Euro kosten – solch einem Land geht es nicht so schlecht!“ Seit 19 Jahren lebt der Restaurantbetreiber in Deutschland. Seit zwei Monaten erhält sein Vater in Griechenland nur noch unregelmäßig Rente. „Was die Leute jetzt vermissen, ist, dass jeder etwas aus dem Topf bekommt wie früher“, sagt der Wirt.

Vor einer Pleite des Landes, einem Ausscheiden aus dem Euro hat Hamzi keine Angst. „Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland auch pleite, zehn Jahre später brauchte es schon ausländische Arbeitskräfte.“ Gewiss sei die derzeitige Situation schwierig, einer Tante und einem Freund sei der Strom abgestellt worden. Doch, so ist Hamzi überzeugt: „Die Griechen haben 500 Jahre unter den Türken gelebt, dabei aber ihre Religion, ihre Namen und ihren Stolz bewahrt. Wer jetzt ein Haus kauft in Griechenland, hat in zwei bis drei Jahren ein gutes Geschäft gemacht, ohne dass er ein Fenster putzen muss.“

In der Teltower „Taverna Samos“ ist das Abendessen in Vorbereitung. Wirt Thomas Drilas muss es kurz machen – kurz und schmerzlos: „Selbst Schuld!“, sagt Drilas, der seit 31 Jahren in Deutschland lebt. „Sie hatten kein System, haben sich nicht an die Gesetze gehalten. In Deutschland fahre ich nur sehr ungern bei Rot über die Ampel!“ Als Geschäftsmann wisse er: „Wenn mein Restaurant nicht läuft, muss ich Leute entlassen.“ Das passiere jetzt in seiner Heimat. Was Thomas Drilas am meisten Sorgen macht: „Sollte Griechenland aus der EU fliegen, habe ich keine Aufenthaltsgenehmigung mehr für Deutschland.“

Dann muss Drilas hinter den Tresen und sagt: „Es tut mir leid für die Leute, nicht für die Politiker. Politik ist ein dreckiges Spiel.“ Dennoch will er zurück ins Inselreich – „wenn ich alt und grau bin“. (Von Ulrich Wangemann)

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