Wie Bayern den Griechen einst Geld lieh...

...und nach einem Schuldenschnitt davon sogar etwas wieder sah. Eine historische Episode erzählt viel über levantinisch-deutsche Finanzverhältnisse.

Griechenland. Immer wieder Griechenland. Ob beim Gipfel der Finanzminister an diesem Wochenende in Riga, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel, bei Vier-Augen-Gesprächen in Berlin oder in Moskau – immer wieder geht es um die Pleite-Republik der Hellenen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die Diskussion nicht nur nicht neu, sondern in Wahrheit ziemlich alt ist. Und in einer Region seit nun bald 200 Jahren besonders intensiv geführt wurde: in Bayern.

Es war Ludwig I., der dem Land der Helden, Götter und Antike Geld geliehen hatte, das er zeitlebens nicht wiedersah. Niemand kennt seither das Gefühl, Gläubiger Griechenlands zu sein, so gut wie ausgerechnet die Vorfahren des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofers. Vielleicht liegt darin der Grund, weshalb Seehofer einen gewissen Langmut gegenüber Griechenland an den Tag legt.

Der Historiker Hans Philippi jedenfalls hat die Episode um den Märchenkönig und die Folgen seiner Schwärmerei in der Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte bereits 1963 aufgeschrieben. Was Hoffnung macht: Der Streit damals ging für die Bayern glimpflich aus. Allerdings: Man zankte sich auch damals beinahe ein halbes Jahrhundert um das liebe Geld.

Passiert ist folgendes: Griechenland befreit sich im Jahr 1829 in blutigen Kämpfen von der Herrschaft der Osmanen, wozu allerdings die Hilfe anderer Mächte wie Frankreich, Russland und England vonnöten ist. Die drei verordnen Griechenland nach seiner Unabhängigkeit, es solle eine Erbmonarchie errichten. Allerdings fehlt ein geeigneter Herrscher – jedenfalls bis der bayerische König Ludwig I. die Lage analysiert.


Er hat ein Faible für das Land am Mittelmeer, sieht eine Chance seinen politischen Einfluss zu vergrößern und schlägt kurzerhand seinen Sohn Otto als regierenden Monarchen für Athen vor. Die Großmächte stimmen zu, Otto kommt ins Amt und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Die junge Monarchie ist finanziell nicht lebensfähig und Otto muss seinen Vater in den Jahren 1835 bis 1837 dreimal anpumpen, um nur einigermaßen über die Runden zu kommen. König Ludwig besorgt die Darlehen, zweimal sind es eine Million Franken, zum Schluss gibt es nochmal den gleichen Betrag in Gulden, was nach heutigem Wert einer hohen dreistelligen Millionensumme in Euro entspräche. Doch der König von Bayern ist, so sehr ihn auch manche Untertanin liebt, kein absoluter Herrscher. Im Landtag beschert ihm seine Freizügigkeit in Geld- und anderen Dingen zunehmend Ärger. 1848 wirft Ludwig I. hin und verzichtet auf den Thron.

Die klammen Griechen unter Sohn Otto haben bis dahin bereits aufgehört, den Zinssatz von vier Prozent für die Kredite aus Bayern zu zahlen, von Tilgung ist schon gar nicht mehr die Rede. Um Ärger zu vermeiden, sieht sich Ludwig I. gezwungen, den Kredit an die unsoliden Hellenen gegenüber seinem Land erstmal aus der Privatschatulle zu begleichen. Anschließend will er das Geld bei seinem Sohn selbst eintreiben. Doch es kommt anders.

König Otto fällt wegen einiger undiplomatischer Äußerungen bei den Großmächten und auch seinem Adoptiv-Volk in Ungnade: Er wird 1862 vom Thron gejagt und stirbt 1867 ein Jahr vor seinem Vater. Die offene Schuld wird an Ludwigs Nachfahren weitervererbt. Ihnen schuldet Griechenland im Jahr 1880 inklusive offener Zinsforderungen genau 5.243.428 Mark und 57 Pfennige, wie Historiker Philippi akribisch festhält.

1880 hat sich im Vergleich zur Regierungszeit des Märchenkönigs in Europa einiges getan. Der preußische Kanzler Otto von Bismarck hat ein Reich gegründet. Preußen ist in Europa zu einer Großmacht geworden. Ohne Bismarcks Wohlwollen läuft auf dem Kontinent wenig. Griechenland sieht in dem Jahr seine Möglichkeit, seine Grenzen Richtung Norden zu erweitern. Bismarck soll dem Vorhaben bei einer Konferenz im Sommer 1880 in Berlin zustimmen.

Am 10. Juni spricht der bayerische Minister des Äußeren, Freiherr von Crailsheim, bei Bismarck vor und berichtet von den offenen Forderungen. Der Reichskanzler „nimmt die Sache ernst, legt Wert darauf, dass Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt und bemerkt, dass ein Staat, der seine Ehrenschulden nicht zahle, nicht verdiene vergrößert zu werden“, heißt es in einem zeitgenössischen Protokoll.

Den Griechen ist die Erweiterung wichtiger als ein paar Millionen in der Staatskasse und sie haben Respekt vor Bismarcks Votum. Allerdings sind sie auch gute Händler. Nach einigem Hin und Her einigen sie sich mit den Bayern, die Schuld zu begleichen – aber nicht vollständig und schon gar nicht mit Zinsen. Ein Unterhändler notiert: „Es ist ganz natürlich, dass die Bayern eine Barzahlung vorziehen, da niemand, namentlich bei levantinischen Verhältnissen, dafür einstehen kann, dass die auf lange Zeit berechneten Annuitäten tatsächlich eingehen können.“ Bayern gibt sich schließlich mit den von Athen gebotenen 1,6 Millionen Franken zufrieden.

Was von der bayerischen Episode bleibt, sind zwei Erkenntnisse: Im Aushandeln eines Schuldenschnitts ist Griechenland geübt. Ganz weg ist das Geld, was das Land die europäischen Mächte immer wieder kostet, in der Regel aber nicht.

#


Gern gelesen

THE GREEK HERACLES WAS A BLACK MAN AND THE AFRICAN INFLUENCE ON GREEK AESTHETICS

Griechenland in den Fängen der Familien-Clans

Greek MEP Eva Kaili: Greece Will Continue to Veto Macedonia

Beliebte Posts aus diesem Blog

Nikos Dimou: Greece has already lost in the name issue

THE GREEK HERACLES WAS A BLACK MAN AND THE AFRICAN INFLUENCE ON GREEK AESTHETICS

Austerity Porn: Greek Terrorists Rape Ministers' Wives in Controversial Revenge Movie