Selbsternannte Hüter der öffentlichen Ordnung in Griechenland

Mit der explodierenden Kriminalität als Anlass machen sich in Griechenland verschiedene Gruppierungen stark, als Hüter der öffentlichen Ordnung aufzutreten.

In den letzten Tagen gab es eine besondere Projektion verschiedener Organisationen, die zur Bildung von Bürgerwehren aufrufen, um – wie argumentiert wird – “die Bürger zu schützen, welche der Staat auf Gedeih und Verderb den Gangstern ausgeliefert hat“. Über Webseiten laden sie die Griechen ein, ihren Kräften beizutreten und an organisierten Ausbildungsaktionen teilzunehmen, um bereit zu sein, dem Chaos gegenüberzutreten, das – wie betont wird – “vor den Toren lauert“.

Es handelt sich um eine gefährliche Entwicklung, die auch der Minister für Zivilschutz, Herr Michalis Chrysochoidis verurteilte, der auf die Frage bezüglich der Bürgerinitiativen zur Bildung von Bürgerwehren entgegnete, dass für die Sicherheit der Bürger die Polizei und die von der Verfassung vorgesehenen Behörden zuständigen Behörden zuständig sind. “Niemand sonst ist berechtigt, Waffen einzusetzen oder Selbstjustiz zu üben“, äußerte er charakteristisch. Zu dem selben Thema ordnete der Staatsanwalt des Landgerichts Nikos Antonarakos am vergangenen Donnerstag (15 März 2012) eine dringende Voruntersuchung über Aktivität und Funktion dieser “Organisationen” an.

Die ganze Situation verströmt ein Aroma anderer Epochen. Viele nehmen an, dass diese Phänomene jenen entsprechen, die sich in Deutschland in den 30er Jahren zeigten, bevor Hitler an die Macht aufstieg. Andere betonen, dass in Krisenzeiten die Zunahme der Fremdenangst und der Aufstieg der dieser hauptsächlich Ausdruck verleihenden Rechtsextremisten eine natürliche Folge sei. Schließlich gibt es etliche Stimmen, die betonen, dass wenn der Staat schläft, der Schattenstaat aufwacht. Erleben wir also, wie das Ei der Schlange ausgebrütet wird?

Georgios Anestopoulos alias der “Falke der Ägäis”
Eine dieser in Rede stehenden Gruppen, die mit der Bekundung in Erscheinung traten, “die Bürger vor der Gnade und Ungnade der Gangster schützen zu werden“, und sich im Visier der Untersuchungen befindet, nennt sich “Patriotische Bürgerwehr” (PP, griechisch: Πατριωτική Πολιτοφυλακή / ΠΠ). Ihr Sprecher ist Georgios Anestopoulos, der ebenfalls auch als “Falke der Ägäis” unterzeichnet. “Die Zivile Bürgerwehr” ist eine von den (griechenlandweit) hunderten Gruppen von Reservisten, die mit der einen oder anderen Weise, Physiognomie und Formation ihre militärische Ausbildung sogar auch in ihrem zivilen Leben fortsetzen“, meint er.

Wie der Sprecher der PP erklärt, besteht der Ehrgeiz der Organisation darin, in Kriegszeiten “eine organisierte Bürgerwehreinheit aus nicht Einberufenen und Frauen zurückzulassen, welche zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den ausländischen feindlichen Truppen beitragen können“. Er betont jedoch, dass “die Beteiligung an der Unterdrückung der Protestbewegungen des Volkes niemals in unseren Absichten lag und auch niemals liegen wird“.

Bereit, “nötigenfalls den Antigriechen zu begegnen“
Die Ansichten des Herrn Anestopoulos sind intensiv von Verschwörungstheorien geprägt. Er versichert: “Wir haben keinerlei Absicht, die Rolle des selbsternannten Retters zu übernehmen, sondern ziehen vor – wenn und sofern notwendig – für die “kritische Stunde” bereit zu sein, um unsere Familien (und unsere Bevölkerung) vor dem Krieg (innerhalb der Mauern) zu schützen, den sich gewisse “Nicht- und Anti-Griechen” gegen unser Volk zu entfesseln anschicken, anstatt uns wehrlos wie der Hund im Weinberg abschlachten zu lassen, zu einem Zeitpunkt, wo der Staat alltäglich seine Unzulänglichkeit hinsichtlich des Schutzes unseres Volkes beweist.“

Bezüglich der Ausbildung, welche die Mitglieder erhalten, erklärt er, dass es sich grundsätzlich um eine “Grundausbildung” (Basis Soldierung) handelt, und merkt an: “Es gibt jedoch eindeutig die Miniaturstruktur eines regulären Militärs. Jeder und jede, analog zu seinen / ihren Qualifikationen und Fähigkeiten auf dem Sektor, wo er / sie die beste Leistung erbringt. Und natürlich bilden die fähigsten und spezieller Ausgebildeten die Elitetruppe der Spezialkräfte.“

Die größte Bedrohung ist laut Herrn Anestopoulos die übermäßige Anzahl der illegalen Immigranten. Auf die Frage, ob die Griechen sich wie von dem Vorsitzenden der LAOS-Partei Herrn Georgios Karatzaferis vorgeschlagen bewaffnen müssen, um der steigenden Kriminalität zu begegnen, antwortet er: “Natürlich, allerdings unter Voraussetzungen. Wenn jemand einen psychisch instabilen Charakter hat, kann und darf er natürlich keine Waffe tragen, und das kann diagnostiziert werden. Und natürlich bedarf es einer außerordentlich sorgfältigen Ausbildung des Bürgers in der Benutzung der Waffe, bevor jemandem gestattet wird, sie frei zur Selbstverteidigung zu besitzen.“

Auf den Hinweis, dass wir in unkontrollierte Umstände zu gleiten drohen, wenn die Bürger das Recht in die eigenen Hände nehmen, antwortet er sogar: “Wenn der Staat sich im Schutz des Bürgers und seines Besitzes als unzulänglich erweist, sind solche “Entgleisungen” leider unvermeidbar“, und fügt an, dass das Volk ein Sprichwort habe: “Lieber im Geleit von Gendarmen als von Pastoren.“

“Verteidigungslinie” der Nationalen Gesellschaft
Die “Zivile Bürgerwehr” erklärt auf ihrer Webseite, der Nationalen Gesellschaft zur Verfügung zu stehen, wenn und sofern sie gerufen wird. Was ist jedoch die Nationale Gesellschaft?

Wie Herr Nikolaos Argyropoulos als Verantwortlicher für Kommunikation und Organisation erklärt, ist sie “eine bürgerliche, nicht gewinnorientierte Gesellschaft. Sie hat den Zweck, die Rechte der Griechen zu verteidigen, die niemand verteidigt“. Die Gesellschaft machte ihre Aktivität am 11 März 2012 bei einer Veranstaltung im Kriegsmuseum öffentlich bekannt. “Die Nationale Gesellschaft ist keine Partei, sie ist eine Verteidigungslinie gegen die grobe staatliche Willkür, welche die Griechen heimsucht, gegen alles, was unsere Mitbürger plagt, seien es Gesetze oder Ministerialbeschlüsse oder Willkürlichkeiten staatlicher Amtsträger und Bediensteter“, betont er.

Eine der ersten Handlungen der Nationalen Gesellschaft war “die Strafanzeige, die gegen den Präsidenten der Republik Herrn Karolos Papoulias und den ehemaligen Premierminister Herrn G. Papandreou mit der Beschuldigung der Aufhebung der Verfassung und des Hochverrats erstattet wurde. Beide verletzten die Artikel 37 und 38 der Verfassung, die über die Besetzung des Amtes des Premierministers etwas anderes bestimmt als diese beiden Politiker getan haben“.

Zu dem Thema der Zivilen Bürgerwehr meint Herr Argyropoulos, “sie ist ein sehr bedeutsames Element zur Verteidigung der Rechte der Griechen. Sie machen Kurse in Erster Hilfe und Zivilschutz im Fall außerordentliche Bedürfnisse und Zustände“, während er betont, gegen “alle, die zur Bewaffnung der Bürger aufrufen” zu sein. “Wir erachten dagegen, dass die griechische Bürgerwehr dafür Sorge tragen muss, die Waffen einzusammeln, welche dort draußen in Umlauf sind und sich in den Händen der Gangster befinden.“

Die Bürgerwehr der … Nachbarschaft
Auf einer anderen Wellenlänge und mit anderen Parametern agiert das Griechische Zentrum für Waffenkontrolle (EKEO, griechisch: Ελληνικό Κέντρο Ελέγχου Όπλων), das zur Organisation einer Bewegung aufruft, die es als “Bürgerwehr der Nachbarschaft” (neighborhood watch) bezeichnet.

Wie der Leiter des Zentrums Herr Theodoros Liolios, Assistenz-Professor für Kernphysik und militärische Anwendungen an der Militärakademie Evelpidon erklärt, hat die Kriminalität unkontrollierte Ausmaße angenommen, und deswegen erachtet er “die Bildung von Bürgergruppen für notwendig, die in den Nachbarschaften patrouillieren und mit der Hilfe der Polizei die Kriminalität in ihrem Bezirk unter Kontrolle bringen. Unsere alten und auf Hilfe angewiesenen Mitbürger können sich mit diesen Gruppen in Verbindung setzen, falls sie kriminellen Aktivitäten zum Opfer fallen oder solche feststellen, und die Mitglieder der Gruppen werden umgehend Kontakt zur Polizei aufnehmen oder an der Tür der alten Person anklopfen, um die Ganoven abzuschrecken“.

Laut Herrn Liolios wird es den Mitgliedern der Gruppen untersagt sein, Waffen zu tragen oder sich auf Konfrontationen mit den Kriminellen einzulassen, und ihre Präsenz hauptsächlich abschreckenden Charakter haben. Er führt sogar an, dass “sich an diesen Gruppen auch Immigranten beteiligen können, die ein besseres Verständnis der Kultur und bessere Kontakte zu ihren Landsleuten haben“, und ruft selbst auch die Organisationen der Linken auf, an ihren Aktivitäten teilzunehmen. Weiter vertritt er, dass entsprechende Bewegungen auch an den Schulen organisiert werden könnten.

“Wären wir die Regierung, würden wir am Evros wieder Minen auslegen“
Die Chrysi Avgis differenziert ihre Position von den “Bürgerwehren”, obwohl Anwohner von “Patrouillen” ihrer Mitglieder im Athener Stadtviertel Agios Panteleimonas sprechen. Die Erscheinung der Bürgerwehrorganisationen mag Fragen aufwerfen und Ängste wecken, wogegen die Aktivität der Chrysi Avgi die Bürger der Bezirke entzweit, in denen sie intensiv präsent ist. Ihre Vertreter erklären, “in keinerlei Beziehung zu den Bürgerwehren zu stehen“. Wie sie sagen, sind sie eine politische Partei mit konkreter Organisation, Posten und Aktivitäten.

Mittelpunkt ihrer “Operationen” sind die Gegenden rund um Agios Panteleimonas und den Attika-Platz, die sich in den letzten Jahren in ein eigenartiges Schlachtfeld zwischen Kräften der Rechtsextremen und Organisationen aus dem weiteren Raum der Linken und Organisationen für die Rechte der Immigranten verwandelt haben. Die Tatsache, dass die Chrysi Avgi bei den Kommunalwahlen 2010 einen Stimmenanteil von 5,29% auf sich konzentrierte und einen Sitz im Gemeinderat der Stadtgemeinde Athen gewann, beruht vorrangig auf den Stimmen der Anwohner dieses Gebietes.

“Solidarität” nur für Griechen
Wie Herr Ilias Kasidiaris, Mitglied des politischen Gremiums der Organisation und kandidierender Abgeordneter im Verwaltungsbezirk Attika erklärt, gibt es in den letzten Jahren einen klaren Wandel in der Art, auf welche die Leute der Chrysi Avgi begegnen. “Wir haben uns überhaupt nicht geändert, sondern die Leute haben sich uns gegenüber geändert. Die Krise fungierte für viele Griechen als ein Mittel zum Erwachen. Mit dem Sinken der Einkommen begannen sie also das wahrzunehmen, was sie so viel Jahre nicht bemerkten, nämlich dass das System korrupt und problematisch ist und zu Lasten der Nation und des Volkes funktioniert“, merkt er an.

Die Wendung eines Teils der Bürger zu Gunsten der Chrysi Avgi führt Ilias Kasisiaris auf das “soziale Werk” der Organisation zurück und erklärt: “Im letzten Jahr haben wir die Solidaritätsbewegung der Griechen gegründet, über die wir freiwillige Beiträge griechischer Bürger sammeln und an griechische Familien verteilen, welche Problemen des Überlebens begegnen. Dies bezieht sich ausschließlich auf Griechen und nicht auf Ausländer. In diesem Punkt differenzieren wir unsere Position von den entsprechenden Aktivitäten anderer Träger.“. Andererseits hält er das politische System für “gefährlicher als die illegalen Immigranten. Wenn das Land von wirklichen Griechen geleitet würde, hätten wir keinerlei Problem mit den illegalen Immigranten. In dem gesamten Land würde es nicht einen einzigen geben. Wir würden die Gesetze anwenden und die illegalen Einwanderer würden des Landes verwiesen werden” meint er und fügt an: “Wenn wir jemals an die Regierung kämen, würden wir an unseren Grenzen zu der Türkei wieder Minenfelder anlagen, die sie abgeschafft haben“. Die Tatsache, dass eine weltweite Kampagne zur Abschaffung der Antipersonenminen erfolgt, scheint ihn nicht zu beschäftigen.

Was die Anwohner in Agios Panteleimonas zur Chrysi Avgi meinen
Die Ansichten der in den umliegenden Bezirken lebenden Anwohner über die Chrysi Avgi spalten sich. Sowohl Anwohner des Gebietes, Griechen und Immigranten, als auch linke Organisationen melden, dass Mitglieder der Organisation einen eigenartigen Terrorismus hauptsächlich gegen all jene durchgesetzt haben, denen das Pech widerfährt, dunkler Hautfarbe zu sein und ihnen über den Weg zu laufen.

Wie Herr Giannis G. anführt, der in einer Cafeteria in der Gegend arbeitet, “laufen sie in Gruppen herum und haben – mit der Toleranz der Polizei – das Gebiet praktisch unter ihrer Kontrolle. Hauptsächlich, wenn es dunkel zu werden beginnt, siehst Du sie in schwarzen Jacken herumlaufen und in den Straßen patrouillieren. Sehr häufig hören wir über Angriffe, die sie gegen Immigranten ausüben, die sich inzwischen abends nicht mehr auf die Straße trauen“.

Said ist ein Iraker, der die letzten acht Jahre in dem Bezirk lebt und in einer Grillstube arbeitet. “Abends haben wir Angst, uns auf der Straße zu bewegen. Ich kenne viele Immigranten, die von den Mitgliedern der Organisation schwer verprügelt worden sind“, sagt er. Auf die Frage, warum sie sich nicht an die Polizei wendeten, antwortet er, dass sie, wenn sie es getan hätten, höchstwahrscheinlich ausgewiesen worden wären, da sich illegal hier aufhalten.

Von der anderen Seite meint Frau Maria G., die in einem Kurzwarenladen in der Nähe des Attika-Platzes arbeitet, dass die Präsenz der Organisation dass Gleichgewicht der Kräfte in der Gegend geändert habe, und erklärt: “Vor nicht langer Zeit waren es die Griechen, die sich nicht trauten, sich in den umliegenden Straßen zu bewegen. Wenn Sie nicht hier gewohnt haben, verstehen Sie nicht, was ich ihnen sage. Früher zitterte ich, dass jeden Moment die Tür aufgehen könne und sie hereinkommen, um mich zu überfallen, heute fühle ich mich sicherer.“

Auf die Frage, ob sie der Umstand erschrecke, dass die Chrysi Avgi eine Organisation des rechtsradikalen Raumes ist, meint Frau Maria: “Ihre politische Position ist mir gleichgültig. Wären doch die Linken gekommen, um die Immigranten zu vertreiben. Dann würde ich die wählen, so wie ich bei den letzten Kommunalwahlen die Chrysi Avgi gewählt habe.“

(Quelle: To Vima)

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