ARBEITSLOSIGKEIT UND LOHNSENKUNGEN ZERSTÖREN LEBENSSTANDARD VON MILLIONEN

 



Reportage aus Griechenland

An den Fenstern des Arbeitsamtes im Athener Stadtteil Neos Kosmos kleben Plakate mit Parolen gegen die Sparpolitik der ungewählten griechischen Regierung von Lukas Papademos. Eines dieser Plakate stammt von den Beschäftigten des Arbeitsamts, ein anderes von Mitgliedern der Ärztegewerkschaft, die freie Gesundheitsversorgung für alle fordern.

Wie ein an die Tür geklebtes Amtsblatt verkündet, ist das Arbeitslosengeld von 460 Euro im Monat auf 360 Euro reduziert worden. Das ist alles, was ein Arbeitsloser an staatlichen Geldern erhält.

Der Chef des Arbeitsamtes sagte der World Socialist Web Site, dass die Zahl der Arbeitslosen in seinem Bezirk enorm zugenommen habe. Er lehnte es aber ab, konkrete Zahlen zu nennen, weil ihm das untersagt worden sei.

Jugendliche, die das Arbeitsamt betraten, um sich arbeitslos zu melden, machten kein Hehl aus ihrem Zorn. Eine Frau sagte uns: „Es ist eine schlimme Situation. Ich will euch eines sagen: Die Politiker belügen uns nur. Sie lügen alle.“

An der Rezession in Griechenland, die jetzt im fünften Jahr ist, fällt besonders der enorme Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit ins Auge. Mittlerweile sind 51,1 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, somit übersteigt ihre Zahl die der Beschäftigten.

Dr. Kostas Dimoulas, Dozent für Industriesoziologie an der Panteion Universität, sagte der WSWS, selbst diese Zahl sei noch untertrieben. In Wirklichkeit seien es eher sechzig Prozent. Dimoulas ist Berater des Arbeitsinstituts des Gewerkschaftsverbands GSEE.

Mehr als eine Million Menschen sind jetzt ohne Arbeit. Im Dezember 2011 waren es 21 Prozent im Vergleich zu 14,8 Prozent ein Jahr früher.

Dimoulas erwartet für dieses Jahr einen enormen Anstieg. Bis Ende 2012 erwartet er eine Zunahme um mindestens 300.000 Menschen auf 24 Prozent. „Die meisten Firmen nutzen schon ein neues Gesetz, dass es Unternehmern erlaubt, fünf Prozent ihrer Belegschaft pro Monat zu entlassen“, sagte er.
Foto: Dimitra

Vor dem Arbeitsamt sagte Dimitra (29), sie sei’s gewohnt, für sehr niedrigen Lohn zu arbeiten. Sie arbeitete jahrelang in einem Call Center für 700 Euro im Monat, weil sie in ihrem Ausbildungsberuf, der Landwirtschaft, keine Stelle finden konnte. Vor einem Jahr wurde sie entlassen.

Das Arbeitslosengeld in Griechenland ist strikt auf zwölf Monate begrenzt. „Diesen Monat bekomme ich meine allerletzte Zahlung“, sagte Dimitra. Zum Glück habe ich wenigstens für die nächsten sechs Monate einen befristeten Job in einem Hotel auf Kreta gefunden.“

Wenn ihr Vertrag ausläuft, will sie Griechenland verlassen und anderswo Arbeit suchen.

Foto: Charilaus

Charilaus, 65, war früher Hotelkoch. Er kann keine Arbeit finden. Seine letzte Arbeitsstelle war ein einjähriger Teilzeitjob. Er hofft, in einem Jahr seine staatliche Rente beziehen zu können. „Ich hoffe, 500 Euro im Monat zu bekommen, aber ich glaube nicht daran, weil es im Juni weitere Kürzungen geben soll“, sagte er.

Charilus hat drei Kinder und fünf Enkelkinder. Er musste manchmal seine Kinder um Geld bitten, um Lebensmittel oder Kleidung zu kaufen, aber: „Auch sie haben nicht genug Geld“, sagte er. Eine seiner Töchter ist Professorin, bekommt aber keine Arbeit. „Es ist hart, wenn du nicht ein paar Euros hast, um deinen Enkelkindern Schokolade zu kaufen. Gleichzeitig gibt es zehn reiche Familien in Griechenland, die auf unsere Kosten leben.“

Auch Teile der Mittelschichten sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Irene ist verheiratet und hat eine Tochter. Bisher hat sie als Selbstständige im Eventmanagement gearbeitet. In den letzten beiden Jahren hat sie kaum Aufträge bekommen. Ein Jahr lang versuchte sie eine Meldung beim Arbeitsamt zu vermeiden. Aber vor vier Monaten musste sie es doch tun, um Arbeitslosengeld zu erhalten.
 
Foto: Irene

Als ihr Geschäft noch gut lief, verdiente sie bis zu dreitausend Euro im Monat. Ihr Mann, der als Fernsehjournalist arbeitet, musste alle zwei bis drei Monate Lohnsenkungen hinnehmen. Sein Gehalt wurde um 1.500 auf nur noch zweitausend Euro gekürzt. „Wir wissen nicht, wie wir die Hypothekenzahlungen für unser Haus aufbringen sollen“, sagte sie. „Wir mussten unsere Ausgaben schon drastisch reduzieren.“

Sie fuhr fort: “Man kann sagen, dass in jeder Familie mindestens eine Person arbeitslos ist. Andere Familienmitglieder mussten große Lohnkürzungen hinnehmen. Das nächste Jahr wird noch schwieriger.“

Dr. Dimoulas sagte: „Häufig gehen Unternehmen jetzt auf eine Vier-Tage-Woche über und kürzen die Löhne entsprechend. Die Unternehmer nutzen die Arbeitslosigkeit, um Lohnkürzungen durchzusetzen.“

Eine halbe Million Arbeiter erhalten nicht ihren vollen Lohn. Viele Unternehmer sind monatelang mit Lohnzahlungen im Rückstand und entlassen dann die Arbeiter. Ungefähr jeder vierte Beschäftigte in Griechenland hat inzwischen nur einen Teilzeitvertrag und wird entsprechend schlecht bezahlt, obwohl er oder sie meist die volle Stundenzahl arbeitet.

Zana, eine alleinerziehende Mutter, wanderte vor zwanzig Jahren aus Albanien ein, weil sie auf ein besseres Leben hoffte. In ihrer Wahlheimat hat sie zwei Kinder hochgezogen, die jetzt im Alter von vierzehn und achtzehn Jahren sind. Zana arbeitete bisher als Reinigungskraft, wurde aber entlassen. „Jetzt bekomme ich nur 360 Euro. Davon muss ich alleine 250 Euro Miete und hundert Euro für Strom und Gas bezahlen“, sagte sie. „Ich muss Verwandte um Unterstützung bitten, um meine Kinder ernähren zu können.“

Takis wurde vor zwei Monaten entlassen, nachdem er dreizehn Jahre lang als Computertechniker gearbeitet hatte. Seine Firma reduzierte ihre Belegschaft um zehn Prozent. Takis verdiente vorher tausend Euro und ist jetzt auf 360 Euro Arbeitslosengeld. Seine Frau arbeitet am Flughafen von Athen und verdient 900 Euro im Monat, nachdem ihr Gehalt um zehn Prozent gekürzt wurde. Sie haben eine zweijährige Tochter. „Das Leben wird immer schwieriger“, sagte Takis.

Er hat in den letzten drei Jahren an vielen Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. „Die Reichen haben die Krise benutzt, um noch mehr Geld zu scheffeln und die Armen auszubeuten“, sagte er.

Takis steht den Gewerkschaften und auch den pseudo-linken Parteien in Griechenland wie SYRIZA skeptisch gegenüber. „Die Streiks und Demonstrationen wurden von den linken Parteien geführt, aber sie wollen nicht wirklich etwas ändern“, sagte er. „Die Leute müssen sich unabhängig organisieren, nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa. Griechenland ist nur der Test, um ähnliche Maßnahmen in jedem europäischen Land durchzusetzen.“

In einem Artikel in der Tageszeitung Ta Nea schätzte Robolis Savvas, Professor für Wirtschaft und Sozialpolitik an der Panteion Universität und Direktor des Arbeitsinstituts der GSEE, dass die Löhne bis 2015 um vierzig Prozent sinken werden.

Dr. Dimoulas sagte, dass aktuell Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung, dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle und deutschen Firmen über die Einrichtung von „Sonderwirtschaftszonen“ im Norden Griechenlands stattfinden, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Für diese Zonen wird eine Senkung der Unternehmenssteuern von zwanzig auf zwei Prozent und des Mindestlohns auf nur noch 300 Euro erwogen.

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