...länger wird nur in Mazedonien gearbeitet...
Gezänk unter der Akropolis
Griechenland steckt im Schuldensumpf und braucht dringend einen nationalen Konsens für Reformen. Den aber verweigern die Konservativen beharrlich.
Da ist es wieder, das holzschnittartige Griechenlandbild: rüstige Mittfünfziger, die im Kafeneion vor sich hin dösen oder die Tage mit dem Tavlispiel vertrödeln – eine Nation von Frührentnern, die es sich auf Kosten der Nordeuropäer gutgehen lässt. So musste es den Gästen vorkommen, die zum Frühlingsfest der CDU Hochsauerland gekommen waren, um Kanzlerin Merkel zuzuhören. Es gehe nicht an, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal früher in Rente gehen könne als in Deutschland, rügte die Kanzlerin.
Im Fall Griechenlands sieht die Wirklichkeit allerdings anders aus, als Merkel sie in Meschede ausmalte. Das mittlere Renteneintrittsalter lag dort bisher bei 61,4 Jahren (Deutschland: 61,7, Frankreich: 59,3), entsprach genau dem EU-Durchschnitt und wurde 2010 um etwa zwei Jahre angehoben. Somit hätten die Griechen dann in Europa die zweitlängste Lebensarbeitszeit nach den Schweden. Und bei der tatsächlichen Wochenarbeitszeit, die von Eurostat ermittelt wird, liegt Griechenland mit 43,8 Stunden an der Spitze. Länger wird nur in Mazedonien (45,3 Stunden) gearbeitet. Im EU-Durchschnitt sind es 41,8 Stunden, in Deutschland 41,7.
Viele Griechen schüttelten deshalb den Kopf, als sie jetzt in den Medien von den neuen Faulheits-Vorwürfen der Kanzlerin erfuhren. Die Athener Regierung ließ Merkels Schelte unkommentiert im Raum stehen – das Verhältnis zu Berlin ist gespannt genug, und sie hat eigene Probleme.
Griechenland steckt im Schuldensumpf, über der Akropolis kreisen die Pleitegeier, aber die Spitzenpolitiker zanken. Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der Eurogruppe, sprach jetzt das Selbstverständliche aus: Eine Partei allein kann die Krise nicht meistern, Griechenland braucht eine „nationale Anstrengung“, einen Konsens. Genau daran fehlt es bisher.
„Entweder wir ändern uns, oder wir gehen unter“, mahnt Premier Giorgos Papandreou seit Monaten. Von den griechischen Kommunisten kann er keine Unterstützung erwarten. Die KP-Chefin Aleka Papariga versteht die Krise als Entscheidungsschlacht im Klassenkampf. Papariga glaubt, dass sich mit einer Staatspleite ihr Heilsversprechen erfüllt – die Diktatur des Proletariats. Auch die griechischen Gewerkschaften machen mobil gegen die Spar- und Reformpolitik und verteidigen verbissen die Privilegien der Staatsdiener.
Aber dass sich ausgerechnet der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras so beharrlich jedem politischen Konsens verweigert, ist nicht nachvollziehbar. Papandreou und Samaras sind alte Freunde. Beide studierten am renommierten Amherst College im US-Staat Massachusetts, waren dort sogar Zimmergenossen. Natürlich duzen sie einander, telefonieren auch häufig. Die griechische Öffentlichkeit aber merkt von der Freundschaft nichts.
Die griechische Schuldenkrise ist das Ergebnis jahrzehntelanger Versäumnisse und Fehlentwicklungen, für die alle Parteien verantwortlich sind, die das Land seit dem Ende der Obristendiktatur Mitte der 1970er Jahre regierten. So rasant wie die konservative Nea Dimokratia (ND) aber hat noch keine Partei das Land vor die Wand gefahren. Ein Haushaltsdefizit von 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts setzten die Konservativen im Budget 2009 an – tatsächlich wurden es 15,4 Prozent. Die fünfeinhalb Regierungsjahre des konservativen Premiers Kostas Karamanlis waren geprägt durch politische Inkompetenz, Skandale und finanziellen Leichtsinn.
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